Über 25 Jahre meines Lebens hatte ich Migräne, war chronisch krank. Ich habe mein Leben danach ausgerichtet, was mein Körper mir erlaubte.
Ich habe akribisch Buch geführt, in welchen Situationen ich vom Schmerz überrannt wurde, welche Trigger ich lieber meiden sollte.
Es gab mich ausschließlich in der Andrea-mit-Migräne Version. Das war meine Identifikation.
Im Podcast habe ich euch schon oft mitgenommen, zu Stationen meiner Entwicklung. Ich habe mit euch die vielen kleinen Puzzleteile der Selbstheilung sowie die zahlreichen Auf und Abs mit euch geteilt. Seitdem werde ich immer wieder gefragt:
Andrea, bist du jetzt gesund oder hast du immer noch Migräne?
Darauf habe ich eine klare Antwort: Beides.
Alles Liebe,
Andrea
Komplett geheilt? Ein Update meiner 25-jährigen Migränegeschichte
Es geht heute um ein paar Gedanken zum Thema Gesundheit und Krankheit. Ich werde oft gefragt, an wievielen Tagen monatlich ich jetzt Migräne habe, ob sie komplett weg ist und ich gesund bin und ob ich mich geheilt habe. Ich habe das in einer anderen Folge auch schon gesagt, wie ich Krankheit für mich defniere.
Krankheit bedeutet für mich nicht unbedingt, Symptome zu haben, sondern es ist in erster Linie eine Sache im Kopf.
Das habe ich für mich jetzt immer wieder mehr herauskristallisiert. Dieses Krank-Sein ist für mich gar nicht mehr „Daliegen und Schmerzen haben“ oder sich in einer anderen Form körperlich beeinträchtigt zu fühlen. In erster Linie ist es etwas, was sich im Kopf als krank anfühlt. „Ich fühle mich beeinträchtigt“ . In diesem Sinne – bezogen auf chronische Krankheiten und Schmerzen – kann ich von mir sagen, dass das Schwere an diesem Thema vor allen Dingen der Teil im Kopf war, dieses „davon-ausgehen-dass-es-wiederkommt“ und sich damit zu identifizieren.
Ich habe ja einmal eine Podcast Folge zu dem Thema Krankheit als Identifikation gemacht. Das ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Punkte, wenn es darum geht, sich selbst heilen zu wollen, eine Krankheit loslassen zu wollen – egal auf welcher Ebene es ist. Man identifiziert sich unbemerkt mit dieser Krankheit. Es ist somit auch „meine Migräne“. Die Migräne ist meine Migräne, meine Krankheit. Das waren Äußerungen, die ich oft getätigt habe ohne es zu merken.
Heute benutze ich das Wort „krank“ immer noch, aber seltener und eher, weil es im gesellschaftlichen Kontext so etwas ist, wie wir reden und die Menschen es so verstehen.
Ich finde auch, dass es ein gutes Wort ist um sich auszudrücken. Gleichzeitig entspricht es aber auch nicht mehr dem, wie ich mich fühle. Wenn ich z.B. „krank“ im Sinne von „erkältet“ bin, dann passt es schon für mich. Aber ich würde mich jetzt nicht mehr als krank – in meinem Leben – bezeichnen, in dem Sinne, dass ich noch Migräne habe ab und zu. Das ist für mich kein Zeichen dafür, krank zu sein. Das Wort krank muss ja eigentlich gar nicht negativ konnotiert sein, aber vielleicht liegt es daran, dass es eben doch so für mich ist. Es ist so für mich, weil ich es eben schon sehr viele Jahre, Jahrzehnte als etwas nicht positives mit mir herumgetragen habe.
Fühle auch gern einmal in dich hinein, was deine Assoziation mit dem Wort krank ist.
Ist es vielleicht auch negativ belegt, wie bei mir? Vielleicht besteht eine Assoziation mit: nicht leisten können / nicht gut genug sein / Schwäche zeigen oder gar zu einem Thema chronischer Krankheit.
Das heißt, ich habe immer noch Migräne.
Ich habe immer noch Symptome, aber ich fühle mich mehr krank, weil ich jedes Mal wieder von ihnen lerne und weil sie mir immer sagen, wenn ich doch ein Stück zu wenig auf mich geachtet habe, wenn ich mich doch ein Stück zu wenig abgegrenzt habe.
Wenn die Kopfschmerzen kommen, sind sie wie ein Zeichen: „Schau mal Andrea, an dieser Stelle, da hättest du noch mal ein bißchen mehr auf dich achten können.“
„Da hast du noch nicht zu 100 % deine Wahrheit gesprochen oder nach ihr gehandelt. Da warst du noch nicht 100 % bei dir und hast dir noch nicht genug Ruhezeiten genommen, hast dich nicht genug abgegrenzt.“
Was auch immer es gerade ist, es ist ein Zeichen, eine Erinnerung… Ich habe über 20 Jahre diese Krankheit (ich sage jetzt auch bewusst Krankheit) als Teil von mir, als Identifikation, als sehr beeinträchtigenden Part mit mir herumgetragen.
Meiner Meinung nach ist es auch ein Prozess des Annehmens für mich. Ich möchte liebevoll annehmen und das klappt inzwischen auch sehr gut. Und es ist ein Prozess des lehen-lassens. Die Krankheit und der Schmerz ist meiner Meinung nach in mein Leben gekommen aus einem guten Grund, einem Sinn und weil sie mich schützen wollten und weil sie dafür gesorgt haben, dass ich die Ruhe und Abgrenzung, und das bei-mir-sein bekommen habe, für die ich selbst in dem Moment nicht gesorgt hätte und habe.
Wann immer ich jetzt auch noch ein bißchen am Strugglen bin, und manchmal doch mein Ego lauter schreien lasse und mehr mache, obwohl ich weiß, dass es jetzt wichtig ist in die Ruhe zu gehen, dann macht sich mein Kopf mal wieder bemerkbar. Er weist mich darauf hin, wofür ich tatsächlich sehr dankbar bin. In dem Moment finde ich es erstmal nicht so geil. Vor allen Dingen wenn es dann doller wird, ist es nicht so, dass ich dann denke: „Juchu! Da sind sie wieder!“ Sondern es ist mehr so ein „Ach ja, hm, stimmt! Da hätte ich mich wirklich nochmal anders verhalten können oder andere Gedanken denken können und anders mit meinen Emotionen umgehen können!“
Es ist ein sehr vielschichtiges Thema und es betrifft eigentlich alle Themen, die ich auf diesem Podcast so anspreche.
Die Migräne kommt nicht mehr so oft.
Manchmal ist es einmal im Monat, manchmal auch mehrere Tage im Monat. Ich zähle das nicht mehr.
Ich sehe es als Hinweis, als Einladung auf mich zu achten. Was ich auch geändert habe und was ein wichtiger Teil von dem ist, mich als gesund zu sehen, ist, dass ich nichts mehr aufschreibe. Ich schreibe nicht mehr auf, wieviele Tage im Monat ich Migräne habe. Eine gute Freundin hat einmal zu mir gesagt (sie ist auch Coach und mit ihr habe ich die Ausbildung gemacht): Aber Andrea, wenn du es doch aufschreibst und die Tage zählst mit einer Liste, dann gehst du doch insgeheim doch davon aus, dass sie wiederkommt.
Dann hat es ersteinmal in mir gerattert, etwas in mir hat sich dagegen gewehrt. Ich habe mich gegen diesen Gedanken gewehrt. Ich habe ihn schon irgendwie angenommen aber gleichzeitig gedacht: Naja, ich will das ja protokollieren und auch für die Menschen da draußen. Die Menschen auf Youtube und dem Podcast die zuhören und zuschauen, die wollen ja wissen, wie es weitergeht und ich will ja auch irgendwie den Erfolg messen, wie schnell ich das denn schaffe…
Da war gleich wieder ein Leistungthema, auch wieder ein Yang-Thema, dahinter…
Aber im nächsten Moment dachte ich dann auch wieder: Hm, irgendwie hat sie recht!
Ich dachte dann auch nochmal an meinen Lehrer, den Mönch im Vipassana in Thailand, der zu mir gesagt hat: Vielleicht ist die Migräne schon über alle Berge. Die ist schon kilometerweit weg, bräuchte ewig, um anzureisen und schafft es gar nicht mehr her – und du denkst immer noch, dass sie jeden Moment um die Ecke kommt und da wäre. Dabei ist sie schon lange weg und kommt nie wieder.
Obwohl ich so sehr visualisiert habe und daran geglaubt habe, dass ich gesund bin und sein kann, trotzdem hat diese Liste, insgeheim schon noch eine andere Note mit sich gebracht. Denn ja, sie ging irgendwie davon aus, dass es etwas zu dokumentieren gibt. Denn was macht eine Liste aus? Man dokumentiert etwas, man schreibt etwas in sie hinein. D.h., ich gehe davon aus, wenn ich eine Liste führe, dass ich etwas habe, was ich dort hineinschreibe. Also habe ich mit dieser Liste aufgehört.
Das ist nun schon ein paar Monate her und ich finde es geil, dass ich damit aufgehört habe. Es fiel mir am Anfang schwer. Jedes Mal, wenn mich jetzt jemand fragt: Wie viele Tage im Monat hast du denn noch Migräne?, dann fällt es mir schwer, darauf eine Antwort zu geben. Aber das ist in Ordnung, denn es geht nicht mehr um diese Krankheitstage – glücklicherweise. Denn durch die Visualisierungen und alles andere, was ich getan habe, habe ich diese sehr schnell reduzieren können. Es geht vielmehr um dieses Verständnis im Kopf und dieses Selbstverständnis von mir als Person, als gesunden Mensch. Es geht um diesen Menschen, der auch so genug Liebe erfährt, Fürsorge, genug Abgrenzung und das v.a. Dingen auch aus mir selbst heraus. Ich kann es kaum glauben, während ich das sage, aber manchmal ist es tatsächlich so:
Manchmal gibt es wirklich Tage oder Wochen, wo ich vergesse, dass ich Migräniker war/bin.
Migräniker – das ist jetzt so ausgesprochen, wie ich es immer gefühlt habe. Ich vergesse einfach, dass „meine Gene dafür gesorgt haben“ und dieses ganze bla bla bla …
Es gibt einfach Tage oder Wochen wo ich es einfach vergesse. Ich vergesse es. Diese Gedanken kann vermutlich nur jemand verstehen, der selbst einmal länger krank war. Das ist in etwa so, als hätte man 2 Jahre lang Zahnschmerzen und fängt dann beim Essen wieder an zu kauen, ohne sich Gedanken zu machen, an welcher Stelle man jetzt lieber nicht kauen möchte/darf, weil es da weh tut. Es ist also eine Umgewöhnung, die richtig krass und kraftvoll ist. Normalerweise war mein Alltag davon bestimmt, zu überlegen, was ich machen kann. Wann, wie, wo müssen Ruhepausen sein. Essen ist ganz wichtig, Rhythmus, Schlafen, Draußen sein und Ruhe finden… also ganz unterschiedliche Sachen. Das ist jetzt aber nicht mehr so, weil ich auch immer mehr auf mich selbst höre und hoffe, dass es mir meine Intuition und mein Körper sagen.
Je mehr ich das tue, desto weniger kommen die Schmerzen, um mir zu sagen: Hey, hier ist noch ein Schräubchen, an dem du drehen darfst.
Es ist einfach ein Prozess und es geht für mich überhaupt nicht mehr darum, morgen null Tage Schmerzen zu haben.
Für mich bin ich schon gesund durch diese Veränderung, die im Kopf geschehen ist und die inzwischen sehr tiefgreifend ist und für die ich unglaublich dankbar bin. Ich danke v.a. mir selbst. Ich danke mir selbst unglaublich dafür, dass ich den Mut hatte und immer noch habe, soviel Zeit hineinzuinvestieren und mich dafür zu entscheiden, gesund zu sein, gesund sein zu können und diese Vision mir vorstellen zu können und sie auch wirklich leben zu können.
Nach und nach kann ich loslassen von der Version Andrea-mit-Migräne hin zu Andrea.
Manchmal kommen die Schmerzen, um mir etwas zu sagen, manchmal eben nicht. Ich hoffe, das hat für alle, die es immer wieder interessiert, ein bisschen was beantwortet und euch ein kleines Update gegeben.
Falls ihr dieses Thema aus eurem Leben kennt, würde es mich sehr interessieren, was eure Erfahrungen sind. Schreibt es gerne in die Kommentare unter diesen Blogpost. Falls euch das gerade geholfen hat oder ihr Menschen kennt, denen das helfen könnte, leitet diesen Podcast auch gerne weiter.
Ich möchte unbedingt ganz viele Menschen erreichen, um sie zu unterstützen auf dem Weg zur Heilung – sowohl emotional als auch auf psychischer Ebene. Wenn ihr Bock habt, dann hinterlasst mir doch sehr gerne eine 5 Sterne iTunes Bewertung, dafür wäre ich euch unglaublich dankbar, weil mich das in meiner Arbeit unterstützt. Es ist ja alles kostenlos, aber das ist etwas, wo ihr mir etwas zurückgeben könnt, indem ihr mich bei meiner Arbeit unterstützt oder mir Feedback auf Instagram oder in den Kommentaren gebt.
Alles Liebe,
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Hi Andrea,
ich habe da eine Frage. Momentan lese ich „Du bist das Placebo“ und gerade bin ich an eine Stelle gekommen, an der Joe Dispenza sagt, man solle möglichst alle negativen Gefühle (und Gedanken?) wie z. B. Angst etc. vermeiden. Wenn ich so etwas lese, bekomme ich tatsächlich sofort ein ungutes Gefühl – Angst. Ich habe nämlich oft Angst – und wenn meine Gefühle dazu führen, dass ich krank werden könnte, setzt mich das unter Druck und ich bekomme noch mehr Angst. Zudem sagt mir mein Gefühl eigentlich auch, dass man Gefühle, egal welcher Art, nicht „vermeiden“ sollte, weil das in meinen Augen auch eine Form von Widerstand ist und ich denke, man sollte Gefühle eher annehmen und fühlen.
Was hat das bei dir ausgelöst, das in dem Buch zu lesen? Hast du auch Angst bekommen, jetzt keine „negativen“ Gedanken und Gefühle mehr haben zu dürfen, weil du damit deine Gesundheit in Gefahr bringst? Oder nimmst du Dispenzas Aussage gar ganz anders auf? Das würde mich sehr interessieren.
Liebe Grüße
Sabine
Liebe Sabine, interessant, ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern so eine Aussage schon einmal von ihm gehört zu haben. Insgesamt sehe ich es definitiv so, dass Gefühle ja sowieso schon da sind und es erstmal darum geht sie zu erkennen und als Ist-Zustand anzunehmen, für diesen Moment. Und sich gleichzeitig aber auch für neue Gedanken (und somit dann ja auch neue Emotionen) zu entscheiden. Ich finde, dass das eine das andere nicht ausschließt. So verstehe ich ihn auf jeden Fall und das ist vor allem auch meine persönliche Ansicht und Erfahrung 🙂
Liebe Andrea
Vielen Dank, dass Du wieder mal etwas so persönliches von Dir teilst und somit anderen die Möglichkeit eröffnest über dieses Thema nachzudenken und zu diskutieren.
Seit einigen Jahren habe ich selbst chronische Migräne und diese Podcastfolge wirft bei mir einige Fragen auf.
Du sagst, wenn Du einen Anfall hast, überlegst Du Dir, wo Du zu wenig auf Dich geachtet hast und versuchst es das nächste Mal besser zu machen. Aber bedeutet das nicht, dass Du Dein Leben doch immer noch sehr auf die Migräne abstimmen musst? Beziehungsweise Dir noch viele Gedanken machen musst, wie Du am besten lebst, um Migräneanfälle zu vermeiden?
Mir persönlich geht es so, dass ich viel weniger Migräne habe, wenn ich mich kaum belaste. Jedoch ist das absolut nicht vereinbar mit einem aktiven, arbeitstätigen Leben, in dem ich meine Ziele und Träume verfolgen kann. Darum sehe ich momentan nicht, wie ich letzteres aufgeben kann, „nur“ damit ich weniger Migräne habe. Den grössten Teil des Tages rumzuhängen, ist für mich keine lebenswerte Option, solange ich mithilfe von Akutmedikation meinen Tag relativ gut hinkriege.
Trotzdem suche ich natürlich Wege aus der Migräne.
Ich würde mich sehr über eine Antwort von Dir freuen!
Alles Liebe,
Franzi
Liebe Franzi, danke für deine spannenden Fragen. Wie schön, dass dich mein Podcast so angeregt hat nachzudenken 🙂 Ich richte mein Leben nicht nach meiner Migräne in dem Sinne, dass es darum geht zu vermeiden Schmerzen zu haben, sondern vor allem geht es für mich darum zu spüren und zuzulassen was mir und meinem Kern wirklich gut tut und was mir wirklich gut tut. Ich sehe nicht den Schmerz als etwas was ich umgehen möchte, sondern ich möchte meinem Körper und Geist so sehr all das geben was wichtig ist, dass die Symptome sozusagen nicht als Erinnerung kommen müssen.
Ich kann mir in meinem Fall beispielsweise auch vorstellen, dass ich mit der Zeit auch wieder weniger Ruhe brauche (wer weiß), aber erst einmal geht es glaube ich darum meinen Zellen in Form von neuen Erfahrungen zu zeigen, dass ich für mich sorge auch ohne dass es erst weh tun muss. Vielleicht verstehst du was ich meine. Ich kann deine Frage und Gedanken auf jeden Fall absolut nachvollziehen, empfinde es aber bei mir überhaupt nicht als ein Aufgeben, sondern eher als ein „meinem Kern erst einmal näher kommen“ und herausfinden was jetzt gerade für mich gut ist. Das muss nicht das sein was für immer gut für mich ist. Vielleicht schon, vielleicht nicht. Wer weiß 🙂 Ich wünsche dir alles Liebe und ganz viel Heilung!